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SPD Landesparteitag
Geschlechtergerechtigkeit jetzt! Einführung eines Paritätsgesetzes im Saarland
Vor 100 Jahren wurde von mutigen Sozialdemokratinnen wie Marie Juchacz das Frauenwahlrecht erkämpft. So nahmen am 19. Januar 1919, bei der Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung, zum ersten Mal in Deutschland Frauen als Wählerinnen und Gewählte teil. Über 80 Prozent der wahlberechtigten Frauen gaben ihre Stimme ab. Hundert Jahre später, im Januar 2019, wurde im brandenburgischen Landtag das erste Paritätsgesetz in der Bundesrepublik verabschiedet. Denn die Bilanz nach 100 Jahren Frauenwahlrecht ist ernüchternd: Noch nie saßen ähnlich viele Frauen wie Männer in Parlamenten, weder auf Bundes- noch auf Landesebene.
Den Neuregelungen in Brandenburg zufolge müssen die Landeslisten der Parteien für Landtagswahlen künftig abwechselnd mit Frauen und Männern besetzt werden. Dieses Gesetz tritt am 30. Juni 2020, also nach der anstehenden Landtagswahl, auf die das Gesetz noch keine Anwendung findet, in Kraft.
In Frankreich wurde bereits 1999 die Verfassung geändert, um den gleichen Zugang von Frauen und Männern zu Wahlmandaten und auf der Wahl beruhenden Ämtern zu fördern und hierfür auch die politischen Parteien in die Pflicht zu nehmen. Ein Paritätsgesetz (la loi sur la parité) aus dem Jahr 2000 verpflichtete die Parteien zur Aufstellung geschlechterparitätischer Wahllisten für die Europawahl sowie die kommunalen und regionalen Wahlen. Eine Abweichung von dieser Vorgabe führt zu Kürzungen bei der staatlichen Parteienfinanzierung oder finanziellen Sanktionen, die 2007 nochmals verschärft wurden.
Auch im Saarland sind wir von einem paritätisch besetzten Parlament noch weit entfernt. Negativer Spitzenreiter ist die rechtspopulistische Partei AfD, die keine einzige weibliche Abgeordnete hat, sondern nur drei männliche Abgeordnete. In der CDU Fraktion sind lediglich 7 der 24 Abgeordneten weiblich. Die SPD Fraktion kommt mit 7 weiblichen und 10 männlichen Abgeordneten einer paritätischen Aufstellung am nächsten.
Die Fraktion der Linken stellt nun noch 2 weibliche und 4 Abgeordnete. Eine weitere weibliche Abgeordnete ist fraktionslos. Somit sind nur 33 Prozent der insgesamt 51 Abgeordneten des Saarländischen Landtages weiblich.
Für uns ist klar: Parteien sollten den Anspruch haben, die gesamte Bevölkerung zu vertreten. Die Hälfte der Bevölkerung ist weiblich, deshalb müssen auch die Hälfte der Volksvertreter*innen weiblich sein.
Nach Artikel 12 Abs. 2 S.1 der Saarländischen Landesverfassung (SLVerf) sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Laut Art. 12 Abs. 2 S. 2 SLVerf fördern das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände und die sonstigen Träger öffentlicher Gewalt die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung und wirken auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Um diesen Grundsatz gerecht zu werden, fordern wir die Regierungskoalition aus CDU und SPD kurzfristig auf, am Beispiel des Paritätsgesetzes in Brandenburg das saarländische Wahlgesetz wie folgt zu ändern, sodass es bereits zur kommenden Landtagswahl 2022 angewandt werden kann:
1) Ergänzung der folgenden Regelungen:
„Frauen und Männer sollen gleichermaßen bei der Aufstellung der Landesliste berücksichtigt werden. Hierzu bestimmt die Landesversammlung
1. die Liste der Bewerbenden und ihre Reihenfolge für die für Frauen reservierten Listenplätze der Landesliste,
2. die Liste der Bewerbenden und ihre Reihenfolge für die für Männer reservierten Listenplätze
der Landesliste und
3. aus welcher der beiden Listen der erste Listenplatz der Landesliste besetzt wird.
Die geschlechterparitätische Landesliste wird abwechselnd unter Berücksichtigung der Entscheidung fьr den ersten Listenplatz und der von der Landesversammlung bestimmten Reihenfolge aus den beiden Listen (Satz 3 Nummer 1 und 2) gebildet.“
2) Weiterhin muss vorgesehen sein, dass Personen, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können, selbst entscheiden, ob sie sich um einen Listenplatz auf der Männer- oder Frauenliste bewerben wollen.
3) Listen, die nicht geschlechterparitätisch besetzt sind oder keine alternierende Reihenfolge aufweisen, sind vom Landeswahlausschuss im Grundsatz zurückzuweisen. Die Liste ist nur bis zu dem Platz gültig, zu dem sie quotiert ist.
4) Langfristig soll ein Wahlsystem ausgearbeitet werden, das nach französischem Vorbild ausdrücklich den Zugang von Frauen und Männern zu Wahlmandaten und Wahlämtern fördert. Das Parité-Gesetz soll langfristig nicht nur eine Quotierung der Kandidatenlisten vorsehen, sondern auch eine Quotenregelung bei Direktwahlen.